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chronikwerkstatt


Kuen
Ein Familienname verschwindet aus unserem Dorf
Zum Gedenkjahr 1914 haben wir in der Chronik einen Blick auf die Auswirkungen geworfen, die dieses weltverändernde Ereignis des 1. Weltkriegs in unserem Dorf hatte. Das Leid war vielfältig, die Schicksale ganzer Familien eigen und kaum vorstellbar. Als Beispiel nun die Geschichte von Ernst Kuen und seiner Frau Berta geb. Gruber.

Das Kronland Tirol war ausgezeichnet durch seine sehr produktive, aber kleinstrukturierte Landwirtschaft. Die Aufgaben wurden von den Familien durch Arbeitsteilung ohne viel Gesinde selbst bewältigt. Etliche dieser Bauern waren wehrfähige und militärisch gut ausgebildete Männer. Bereits am 1. August 1914 wurden viele von ihnen in Marsch gesetzt. Das Einsatzgebiet war die Ostfront, Galizien.
Dieses Los traf auch den damalige Ortsvorsteher (Bürgermeister) Ernst Kuen.
Seine Vorfahren kamen im Jahre 1792 nach Flaurling. Die Witwe Elisabeth Khuen (Kuen) kaufte den sog. Edelsitz Austrunkturm ("Schlößlanwesen") für ihren unmündigen Sohn Thaddäus Kuen. Dieser übernahm nach Volljährigkeit (1806) den Besitz und war als Anwalt (Anwald) von Flaurling eine Persönlichkeit in der Dorfgemeinschaft.
Ernst, der letzte Kuen im Dorf, kam am 3.11.1878 als Sohn des Johann und der Maria, geb. Achamer, zur Welt. Er wuchs mit seiner Schwester Maria am Hof seiner Eltern auf. Im Alter von sechs Jahren musste er miterleben, wie sein Elternhaus im Jänner 1885 abbrannte.

Mit 23 Jahren (3. Juni 1901) heiratete er Berta Gruber in der Riskirche. Das Paar kannte sich bereits ihr ganzes junges Leben lang, da Berta zwei Häuser weiter, beim Bock aufgewachsen war. Die Hochzeitsreise war eine Wallfahrt zum Gnadenbild in Absam.
Nach und nach brachte Berta fünf Mädchen zur Welt. Die Eheleute bewirtschafteten gemeinsam den Hof, betrieben erfolgreich Obstbau, hielten Braunvieh (Ernst war auch einige Jahre Obmann des örtlichen Braunviehzuchtvereins und hielt Zuchtstiere) und besaßen ein Sägewerk, das aber mindestens zeitweise verpachtet war. Neben der Arbeit konnte sich Ernst an einem Talent seiner Frau erfreuen: Sie war belesen und schrieb Gedichte, obwohl sie keine besondere Ausbildung genossen hatte.
1911 wurde Ernst zum Vorsteher der Gemeinde Flaurling gewählt. Als er im Sommer 1914 die Einberufung erhielt, musste er sein Amt zurücklegen, es kam zu Neuwahlen.
Mit 1. August 1914 war nun Berta, wie auch andere Soldatenfrauen, alleine für den Hof verantwortlich.
Das war eine Herausforderung. Zu ihren bisherigen Aufgaben kamen jetzt die harte Feld- und Stallarbeit dazu. Auch die wirtschaftlichen Entscheidungen, die getroffen werden mussten, waren für die darin unerfahrenen Frau kaum zu bewältigen: Wann soll die Ernte eingebracht werden? Wem, wann und um wieviel soll welches Getreide, Obst oder Vieh verkauft werden?
Zusätzlich forderte der Kaiser die Abtretung von immer mehr Versorgungsgütern für die Front. Es wurde dafür ein hoher Offizier in unser Dorf abgestellt, der das kontrollierte und organisierte. Er wohnte mit seiner Familie in die Pension Antonius (mündl. Überlieferung). Die Not an Arbeitskräften war schon 1914 so groß, dass eine Ernte-Hilfsaktion in der Gemeinde beschlossen und durchgeführt wurde ...
Ernst Kuen kam in den folgenden Jahren manchmal für ein paar Tage auf Urlaub von der Front in die Heimat zurück. Der Abschied von Frau, Kindern und Freunden war jedes Mal sehr leidvoll, die Hoffnung auf ein Wiedersehen aber ungebrochen. Nach zwei Jahren hartem Kriegseinsatz an der Ostfront erkrankte Ernst im Feld schwer. Auf dem Rücktransport in die Heimat verstarb er im Reservespital in Wels am 27. Mai 1916, wo sich auch heute noch sein Grab befindet.

Von Kummer, Leid und Erschöpfung geschwächt, erkrankte auch Berta. Ihre älteste Tochter Maria übernahm die Pflege der Mutter in den letzten Monaten, bevor Berta ihrem geliebten Mann bereits nach einem Jahr folgte, als sie am 26. September 1917 verstarb.
Die Eheleute Kuen hinterließen fünf unmündige Mädchen im Alter zwischen 7 und 16 Jahren: Maria (verh. Strigl) - sie blieb am Hof (Schlössler), Notburga (verh. Waldhart, Santwirt), Anna (verh. Höpperger, Prantl), Emma (Novizin, arme Schulschwestern, verst. 1927) und Ida (Schwester Angelina, arme Schulschwestern). Die drei im Dorf verheirateten Mädchen brachten zusammen 19 Kinder zur Welt, die wiederum an die 50 Kinder hatten ... (arw)


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